Gernot Böhme, emeritierte Professor der Philosophie, führt in seinem neusten knapp 200 Seiten langen Taschenbuch die Natur, die wir selbst sind, in den aktuellen Diskurs über die Natur ein. Er stellt den „Leib“ ins Zentrum seiner Betrachtungen.
Der Leib ist für ihn nicht einfach ein „Körper“, den man mit einem objektivistischen Blick betrachten und erfassen kann. Der Leib hat für Böhme einen grundsätzlich pragmatischen Aspekt. Er stellt den unmittelbaren Erfahrungs- und Empfindungsbereich des Menschen dar und macht das individuelle Selbstverständnis des Menschen erlebbar. „Dass, was wir qua Leib sind, von unserem praktischen Verhalten zu uns selbst, letztlich von unserer Lebenspraxis abhängt“ (Böhme 2003, S. 75)
Der Leib sind die Regungen und Bedürfnisse, die in uns aufsteigen, die wir wahrnehmen und denen wir nachspüren können. Mit dieser Grundeinstellung setzt sich Gernot Böhme von der klassischen Sichtweise auf den Menschen und konsequenterweise auch der ihn umgebenden Natur ab. Seine Wege führen ihn zu einem neuen Selbstverständnis des Menschen und münden in einer neuen Konzeption für Ethik und Ästhetik.
In seinem neuen Buch versucht Böhme sein revolutionäres Weltbild auch dem philosophischen Laien näher zu bringen. Mit einfacher und klarer Sprache beschreibt er die Grundzüge seines Denkansatzes, der dazu inspiriert, sich selbst mit dem Thema auseinander zu setzen.
Ein zentrales Thema des Buches ist das Verständnis von Technik in Bezug auf den Leib, genauer der invasiven Technik, wie wir sie im medizinischen Bereich finden. Böhme stellt die bisherigen Richtlinien der Medizinethik in Frage und stellt neue Möglichkeiten einer Patienten-Arzt-Beziehung in Aussicht.
Ein weiteres Thema des Buches ist das Verständnis von menschlichen Gefühle. Wie Böhme feststellt, finden sie im Bereich der Philosophie bisher nur eine sehr rudimentäre Berücksichtigung. Böhme greift bei seinen Reflexionen auf Goethes Witterungslehre zurück, und deckt zahlreiche Analogien zwischen Wetterphänomenen und Gefühlen auf. Sie haben auch Eingang in unsere Sprache Eingang gefunden. Letztlich widmet er sich dann der Kunst, insbesondere der Musik und der Bildenden Kunst, und erkennt Übereinstimmungen und Zusammenhänge zu unserer Gefühlswelt.
Auf diese Weise setzt der Autor das „anorganische“ Empfinden, womit die Stimmungen und Leidenschaften, aber auch die ästhetischen Gefühle des Menschen gemeint sind, in Harmonie und Übereinstimmung zur Natur.
Böhme prägte den Begriff der „ökologischen Naturästhetik“. Grundlegender Gedanke ist, dass der Mensch der Natur nicht gegenüber steht, sondern vielmehr ein Teil von ihr ist. Daraus ergibt sich seine Kritik an der heutigen Umweltzerstörung und seiner Forderung nach eine Orientierung an humanen und ökologischen Maßstäben.
Gernot Böhme ist Professor em. für Philosophie an der Technischen Universität Darmstadt, Direktor des Instituts für Praxis der Philosophie e. V. und Vorsitzender der Darmstädter Goethe-Gesellschaft.
Gernot Böhme: Leib
Die Natur, die wir selbst sind
196 Seiten | suhrkamp taschenbuch, wissenschaft 2270 | Surkamp Verlag | 1. Auflage: 14.1.2019 | ISBN: 978-3-518-29870-1 | 18,00 € | Buch bestellen